Das Nationalmuseum in Kraków glänzt mit der Ausstellung von Wojciech Fangor. Diese große Jubiläums-Retrospektive des Künstlers ist ein Muss.
Fangor ist Farbe, Form, Raum. Kubismus, Op-Art, Klassizismen. Unaufhörliche Suche, Experimente, Vertiefung der Seh- und Empfindungserfahrung.
„Wenn ich das Thema wechsle, wechsle ich auch die Ausdrucksmittel“, sagt Wojciech Fangor. „Das unterscheidet die Perioden meines Schaffens. Aber meine Bilder – dünn oder dick, klein oder groß, sommersprossig oder schielend – stammen alle von einem Vater, obwohl von verschiedenen Müttern. Alle gehören zu einer Familie und existieren in ein und derselben Zeit“.
Die innovativen Konzepte brachten dem Künstler den wohlverdienten Namen eines Klassikers der polnischen zeitgenössischen Kunst ein. Oft war er mit seinen Ideen – beispielsweise zu Environment- oder Op-Art-Werken – der internationalen Kunst voraus. 1970 hatte Wojciech Fangor, als bisher einziger polnischer Künstler, eine Einzelausstellung im Guggenheim-Museum in New York.
Bis zum 2. Weltkrieg war er ein glückliches bürgerliches Kind. Er reiste, besuchte Museen und hatte viel Spaß. Malen lernte er bei Tadeusz Pruszkowski und Felicjan Szczęsny-Kowarski, in der Nachkriegszeit erlangte er Berühmtheit als Maler des sozialistischen Realismus – für die Bilder Lenin in Poronin und Koreanische Mutter wurde er 1951 an der Gesamtpolnischen Ausstellung der Bildenden Künste in Warszawa ausgezeichnet. Er sagt, damals habe er Aberglauben, Snobismen, Gewohnheiten und Vorurteile von sich abgeschüttelt.
Einige Jahre später hat ihn sein Gespür für Raum als künstlerisches Material zu dem Thema geführt, das dann seine Kunst beherrschen sollte. 1957 zeigte er im Rahmen der II. Ausstellung der Modernen Kunst in der Zachęta-Galerie in Warszawa die zusammen mit den Architekten Oskar Hansen und Stanisław Zamecznik realisierte Räumliche Komposition. Im nächsten Jahr hat er, zusammen mit Zamecznik, eine anschließende Ausstellung unter dem Titel „Studium des Raums“ im Salon der Neuen Kultur in Warszawa vorbereitet – das erste Environment, das aus optischen Bildern bestand. Von diesem Zeitpunkt an vertiefte und verarbeitete er die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bildern, zwischen den Bildern und dem Zuschauer. Er untersuchte die Theorie der Farben und konzentrierte sich auf den Bau des „positiven illusorischen Raums“. „Die Bilder mit dem positiven illusorischen Raum scheinen sich zu bewegen, die Farben durchdringen einander oder pulsieren“, erklärt der Künstler. „Das wird durch spontane Reaktionen des Auges ausgelöst. Die fehlende Schärfe zwischen Formen und Farben führt zur Verengung und Erweiterung der Pupille oder sogar zum Augenschließen. Das wiederum verringert oder vergrößert die Lichtmenge. Die Unterschiede in der Kraft des Lichts rufen eine Veränderung der Größe der Formen und eine scheinbare Bewegung hervor. Diese scheinbare Bewegung bewirkt ihrerseits Assoziationen mit der parallaktischen Bewegung, die eine der wichtigen Faktoren der räumlichen Wahrnehmung ist. Die zusätzliche Augenlinse versucht vergeblich, die unscharfen Konturen zu fokussieren, was das Pulsieren der Formen verursacht“. Das ist die Periode der Bilder mit Kreisen, Wellen und Streifen mit dunstigen, verschwommenen Rändern, Phänomene der Nachbilder, die sich in die Op-Art-Strömung einreihen.
In der Mitte der 70er kehrte Fangor zu der figurativen Malerei zurück. Er malte dreidimensionale Studien von Innenräumen, unternahm den Dialog mit bekannten Werken der Kunstgeschichte, machte eine Serie von „Fernseharbeiten“, die er mit einem Netz von Punkten/Pixeln bedeckte, wodurch der visuelle Effekt einer Fernsehübertragung erreicht wurde. In seinen neuen Werken greift der Künstler oft auf seine früheren Arbeiten zurück – er vergrößert sie auf dem Bildschirm des Monitors, wählt Fragmente, druckt große Schautafeln aus und überarbeitet sie, spielt mit ihnen, verbindet das Neue mit dem Alten.
„Die Theorien ergeben sich aus den Bildern und nicht Bilder aus den Theorien“, sagt Fangor. „Von Bildern erfahre ich, was ich denken soll, aber nicht sofort“.
Wojciech Fangor kann man unendlich zuhören. Im Haus des Künstlers im Warschauer Vorort Błędów hörten wir Geschichten, mit wem man in der Volksrepublik Polen Wodka trank und wie er, 15-jährig, 1937 an der Internationalen Ausstellung in Paris, im Spanischen Pavillon, vor Picassos „Guernica“ stand. Es fiel uns nicht leicht, sich zu verabschieden.
Und noch eine Randbemerkung zur Ausstellung in Kraków: beachten Sie bitte den hervorragend gestalteten Katalog. Dabei mutet es ein wenig seltsam und beschämend an, dass die englischsprachige Ausgabe um 40 zł teurer ist als die polnische. Die anderen Museen weltweit tun so etwas eher nicht.