König der Pornographie

König der Pornographie

Helmut Newton, Meister der Perversion, Provokateur, berufsmäßiger Sittenstrolch,  Lebemann, ewiger Junge. Und mörderisch begabter Fotograf. Er war derjenige, dem Vogue und Harper’s Bazaar einige Dutzend Jahre lang aufregende Modesessions verdankten. Obgleich die Mode hier nur ein Vorwand zu sein schien. Denn seine Besessenheit und sein Hauptthema waren Frauen. Kein Wunder, dass die neueste Ausstellung der Fotos von Newton in seiner Berliner Stiftung den Titel „Eine Welt ohne Männer“ trägt.
Seine ersten Erinnerungen sind der Anblick des halbnackten Kindermädchens, das im Unterrock vor dem Spiegel sitzt, und der Mutter, als sie, bevor sie zur Party ausgeht, noch vor dem Anziehen des Cocktailkleides, nur im BH, Strümpfen und seidenem Unterrock in Hautfarbe ins Zimmer des Sohnes kommt, um ihm Gute Nacht zu sagen. Sie riecht nach Chanel No 5.


Newton stammte von einer reichen jüdischen Fabrikantenfamilie. Seine erste Kamera kaufte er im Alter von 12 Jahren. Er absolvierte sein Praktikum im Studio der berühmten Berliner Fotografin Yva. Dann kam die „Kristallnacht“ – der 18-jährige Helmut floh nach Singapur, dann nach Australien. Sein erstes Studio eröffnete er in Melbourne, wo er Schaufenster von Geschäften fotografierte. In den 50ern zog er nach Paris.
Immer wieder erklärte er, dass er ein großer Modefotograf werden will. Sogar als er seiner zukünftigen Frau Alice den Antrag gemacht hat, betonte er: „Die Fotografie wird immer meine erste Liebe bleiben und Du wirst immer an der zweiten Stelle sein“. Mit der Zeit machte er eine Weltkarriere und gewann den Beinamen „König der Pornographie“.


Das Archiv von Helmut Newton befindet sich in Berlin. 2002 schenkte die Stadt dem berühmten Fotografen ein Haus, das zum Sitz der Helmut-Newton-Stiftung wurde. „Wir standen in der Nähe des schönen Zoologischen Gartens, am hinteren Eingang zum Bahnhof Zoo“, erzählt Newton in seiner Autobiographie über die Suche nach dem passenden Ort für die Stiftung. „Und was sehe ich vor mir? Einen Palast! Ein schönes zweistöckiges Gebäude vom Anfang des 20. Jahrhunderts, mit einer prachtvollen Fassade (…) Man führte uns hinein und dort weitere Wunder: es ist in einem fast vollkommenen Zustand, als ob es auf mich gewartet hätte. Durch die Fenster sehe ich auf der anderen Straßenseite den Bahnhof, auf dem ich mich vor 60 Jahren von meinen Eltern verabschiedet hatte, um in die weite, verrückte Welt zu fahren. Ich bin nicht sentimental, aber bei der Erinnerung an diesen Tag konnte ich den Schauer nicht unterdrücken“.

Das Haus ist wirklich super. Im Parterre kann man Newtons Leben zurückverfolgen – sich die von ihm gemachten Titelseiten von bunten Magazins, private Fotos, eine Sammlung der Kameras und sogar seine Kleidung und sein Auto anschauen. In der ersten Etage ist immer eine große Ausstellung seiner Werke aus der riesigen Archivkollektion zu sehen. In anderen Räumen werden ständig Ausstellungen von anderen Fotografen gezeigt (z.Z. sind es Porträts von François-Marie Banier). Es lohnt sich immer, hier vorbeizuschauen, auch wenn man Newton aus dem Effeff kennt.
Helmut Newton, „Eine Welt ohne Männer“, Ausstellung bis 19. Mai 2013

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