Masturbierende Polinnen

Masturbierende Polinnen

Über Dwurnik kann man unendlich sprechen, aber es wird nie langweilig. Und jetzt habe ich noch einen guten Vorwand, oder sogar zwei, über den Künstler zu schreiben: nach einem Jahr Arbeit hat er endlich das Bild „Sechzig Polinnen, die an einer Bushaltestelle masturbieren“ fertig gemalt. Mehr noch, man kann das Bild in einer Ausstellung in Kielce in der Galerie Winda sehen.

Akte, Akte, überall Akte – Nacktheit, Titten und Vaginen. „Sechzig Polinnen, die an einer Bushaltestelle masturbieren“ schreit geradezu nach dem Etikett „Pornographie“. Die Modelle sind Exhibitionistinnen und der Maler ist ein Provokateur. Doch das wäre zu einfach, zu oberflächlich, obwohl natürlich am meisten verlockend und ganz menschlich, um über Dwurnik zu sagen, er sei ein Schwein und ein Erotomane. Es soll hier ja um den Triumph der Weiblichkeit, die Bestätigung der Freude und der Freiheit gehen! Ist das Bild von Dwurnik also ein feministisches Manifest? Die Hypothese ist etwas abstrus, aber der Sexologe Andrzej Depko bestätigt sie in der Einführung zum Ausstellungskatalog. „Wenn es in unserer Kultur ein Tabu gibt, dann ist es die Masturbation“, schreibt er. „Edward Dwurnik hat beschlossen, dieses Tabu zu brechen. Mit seinem Werk schuf er ein Manifest. Er hat die Masturbation sowohl als eine individuelle Selbstkreation, als auch als eine gemeinschaftsstiftende Tat dargestellt. Die Frauen auf seinem Bild demonstrieren im sozialen Raum, dass sie autonome, potentiell autarke Wesen sind. Ihre Masturbation an der Bushaltestelle symbolisiert Selbstbestimmung, moralische Autonomie und Befreiung von der einengenden Macht des Patriarchats und der Heterosexualität.“

Edward Dwurnik, Masturbierende Polinnen

Unser Fazit: Edward Dwurnik ist ein empatischer Feminist.

Zum Schluss noch ein kurzes Interview mit dem Künstler zu diesem Thema:

Art in Brief: Warum hast Du masturbierende Frauen gemalt? Woher kam die Idee?

Edward Dwurnik: Ich malte Akte. Das hat mich sehr vereinnahmt, denn ich habe mich darauf einige Jahrzehnte vorbereitet. Eine Akte ist unglaublich schwierig – sie erfordert ein ausgezeichnetes Können, um die Körperfarbe usw. wiederzugeben, aber auch eine große Portion Erfahrung: sowohl im erotischen als auch im emotionalen Bereich. Und einmal hat ein Mädchen, das mir Modell stand, gesagt: „Wenn ich da nur so stehe, ist es langweilig“, und begann zu masturbieren.

AiB: Hattest Du Probleme, Modelle zu finden?

ED: Fast alle Frauen, die ich gebeten habe, stimmten mit Freude zu. Es gibt darunter auch einige Künstlerinnen, eine Galeristin aus Poznań, eine Kuratorin aus Olsztyn und eine der Direktorinnen des Büros für Kunstausstellungen; auch Frauen von Politikern und Sportfunktionären.

AiB: Von Sportfunktionären?

ED: Sie legen ja einen großen Wert auf die körperliche Aktivität.

AiB: Dieses Gerede, es sei ein Bild über die Frauenbefreiung – hast Du es Dir nicht nur ausgedacht? Im neunzehnten Jahrhundert verkaufte man nackte Weiber unter dem Deckmantel von mythologischen oder religiösen Themen…

ED: Es lohnt sich zu zeigen, dass die Masturbation ein weit verbreitetes Phänomen ist, keine Sünde oder Charakterschwäche. Und da diese Frauen obendrauf hübsch waren, machte die Sache umso mehr Spaß.

AiB: Und warum tun sie es an der Bushaltestelle?

ED: Sie masturbieren in der Öffentlichkeit, um zu betonen, dass es eine Norm ist. Onanie, Masturbation, das ist alltäglich. Wie eine Scheibe Brot.

AiB: Wirst Du jetzt polnische Männer als Onanisten malen?

ED: Ich werde sie auf einem Bahnhof darstellen.

 

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